Das alte Anatolien und das Reich der Hethiter
Reisebericht von Joachim Willeitner MA.
Anreise und Kennenlernen
Im Laufe des Nachmittags und Abends erfolgt die Anreise der ReiseteilnehmerInnen der Hethiterreise. Dabei lernen sich die meisten bereits beim gemeinsamen Abendesse in Ankara kennen.
Museum und Alaça Höyük
Zum Einstieg der Rundreise statten wir dem Archäologischen Museum von Ankara einen ausführlichen Besuch ab. Dabei bilden natürlich die Objekte aus den Orten, die wir in den darauf folgenden Tagen aufsuchen, den Schwerpunkt: im Hof des Museums eine stehenden Kopie der hethitischen Kolossalstatue von Fasillar und dann im Gebäude die von James Mellaart in den 1960er Jahren entdeckten Wandmalereien von Catal Höyük, die Tontafeln aus der altassyrischen Handelskolonie von Kanesch-Kültepe oder die Schätze aus den vorhethitischen Fürstengräbern von Alaca Höyük sowie die vom selben Ort stammenden reliefierten Quader der Stadtmauer.
Die letztgenannte Ruinenstätte mit ihrem eindrucksvollen hethitischen Sphinxtor erreichen wir dann auch schon am Nachmittag und inspizieren die Ausgrabungen. Mit sehr viel Glück, weil wir den zuständigen Aufseher erreichen können, haben wir die Gelegenheit, in einem abgesperrten Areal mit einer aufgelassenen Feriensiedlung den hethitischen Staudamm von Gölpinar mit dem dahinter aufgestauten See, der noch heute zu Bewässerungszwecken genutzt wird, zu besuchen. Übernachtet haben wir an diesem und dem folgenden Tag im heutigen Dorf Bogazköy unweit der Ruinen der Hethiterhauptstadt Hattuscha.
Yazilikaya und Hethiterhauptstadt Hattuša
Als einer der Höhepunkte erwarten uns gleich morgens die großformatigen Felsreliefs von Yazilikaya mit ihren zahlreichen Götterdarstellungen, die einen guten Einblick in die religiösen Vorstellungen der Hethiter gewähren.
Danach geht es weiter in das ausgedehnte Ruinengelände der benachbarten hethitischen Hauptstadt Hattuscha. Vorbei an einem über eine Länge von knapp 70 m wieder aufgebauten Teilstück der einst 6,6 km langen Stadtmauer bringt uns der Bus zunächst zum Haupttempel und dann weiter zum höchsten Punkt des Areals mit den drei der insgesamt sechs Stadttoren, die mit Skulpturen geschmückt waren: dem Löwentor, dem Sphinxtor und dem Königstor.
Das mittlere beeindruckt vor allem auch durch seine Poterne, eine Untertunnelung, in der erst vor wenigen Jahren umfangreiche hethitische Hieroglypheninschriften identifiziert werden konnten. Auch der Quellteich mit seiner Gewölbekammer auf der sog. „Südburg“ und der unterhalb davon gelegene Felsen von Nisantepe, die beide ebenfalls umfangreiche Hieroglypheninschriften aufweisen, stehen auf dem Programm.
Mittags statten wir den Reliefs von Yazilikaya einen zweiten Besuch ab. Jetzt liegen die Felswände, die morgens noch im Schatten waren, eindrucksvoll im Sonnenlicht. Der weitere Nachmittag steht dann ganz im Zeichen des Besuches der nur wenig bekannten hethitischen Stadtanlage von Šapinuwa bei Ortaköy, die sogar zeitweilig hethitische Reichshauptstadt gewesen war. Bei den noch laufenden Ausgrabungen kamen in den letzten Jahren nicht nur riesige Magazinräume mit großen Keramikbehältern zum Vorschein, ganz frisch hat man eine tiefe rechteckige Ausschachtung freigelegt, welche von den Ausgräbern als großer Getreidespeicher gedeutet wird.
Museum Bogazköy, Steinbruch, Quellen und Kültepe
Der morgendliche Besuch des Lokalmuseums von Bogazköy mit den schönsten Fundstücken aus Hattuscha erlaubt nochmals ein Resümee der Eindrücke des Vortages. Weiter geht es anschließend in Richtung Kayseri. Da wir gut in der Zeit liegen, unternehmen wir unterwegs einen Abstecher in das hethitische Steinbruchareal von Karakiz, wo sich am Ortsrand eine unvollendete lebensgroße Löwenskulptur befindet, die für einen nicht näher bestimmbaren Gebäudeeingang gedacht war.
Anschließend machen wir noch zwei Stopps an besonderen Quellen: in Sarikaya beeindrucken mitten im Stadtzentrum die frisch restaurierten und erst seit kurzem zum Besuch freigegebenen großen, mit Marmor ausgekleideten Wasserbecken einer etwa 45° C warmen Thermalquelle, von denen das größte 23,3 m lang, 12,8 m breit und 1,35 m tief ist, und bei der zudem übereinandergesetzte Arkadenreihen mit Rundbögen eine monumentale Fassade aus der Römerzeit bilden.
Etwas bescheidener nimmt sich am Ortsrand von Felahiye die Quelle von Sitmapinar aus. Hier muss man heute in ein kleines, sorgfältig gemauertes Becken hinabsteigen, wo der kleine Wasserlauf aus einer gefassten Quelle entspringt. Zur großen Überraschung trafen wir hier auch eine rund anderthalb Meter große Natter, die sich in dem Becken kühlte.
Nachmittags erreichen wir die wichtige Fundstätte von Kültepe, die allein schon aufgrund der hier zutage getretenen Tontafelarchive mit mehr als 20 000 Texten eine unschätzbare Bedeutung für die Wissenschaft besitzt. Die Keilschrifttexte stammen von assyrischen Kaufleuten, die hier in unmittelbar vorhethitischer Zeit um 1900 v. Chr. einen Handelsstützpunkt, das Karum Kanesch, errichtet hatten. Die Übernachtung erfolgt in einem Hotel im nahe gelegenen Kayseri.
Kayseri und hethitische Felsreliefs
Die Millionenstadt Kayseri, das antike Caesarea, liegt am Fuß des erloschenen Vulkans Erciyes Dag (3916 m ü.d.M.), dem ganz Kappadokien seine Tuffschichten verdankt, und weist vor allem aus seldschukischer Zeit zahlreiche reliefverzierte Monumente auf, von denen das „Döner Kümbet“ genannte Grabmal einer Prinzessin aus dem 13. Jahrhundert n. Chr. sicher das bekannteste ist.
Seit kurzem ist das dortige archäologische Museum in der zentral gelegenen Festung untergebracht und wir widmeten seinen zahlreichen Objekten aus vorhethitischer bis frühislamischer Zeit einen ausgiebigen Besuch. Ein bedeutender Teil der Bestände stammt dabei natürlich aus Kültepe. Ein hier aufgebautes Landschaftspanorama veranschaulicht die Lage der hethitischen Felsreliefs im Gelände um den Erciyes Dag jeweils am Beginn bzw. Ende alter Passwege.
Zwei der hethitischen Reliefs stehen im Anschluss auf dem Programm, nämlich das von Imamkullu (ca. 3,25 x 2,0 qm), das auf einen Prinzen Kuwalanamuwa zurückgeht, und das von Firaktin (1,3 x 3,2 qm) von König Hattuschili III. und seiner Gemahlin Puduhepa. In beiden Fällen treten auf den Darstellungen die Stifter vor Gottheiten, um diesen Opfer darzubringen. Abends erreichen wir in Kappadokien den kleinen Ort Güzelyurt, in dem wir uns für die kommenden drei Nächte einquartierten.
prähistorische Stätten und frühbyzatinische Kirchen
Nach einem morgendlichen Fotostopp an der in eindrucksvoller Landschaft spektakulär auf einem Felssporn thronenden Yüksek-Kilise, einer alten christlichen Klosteranlage, führt uns die Fahrt nach Aksaray, wo wir im 2016 neu eröffneten Museum unter anderem die Funde aus Güvercinkayasi und vom Asikli Höyük in Augenschein nehmen. Vom letztgenannten Fundort stammt einer der ältesten menschlichen Schädel mit einer Trepanation, der einst zu einer jungen Frau gehörte. Danach geht es nach Asikli Höyük selbst, dessen Relikte aus der beginnenden Jungsteinzeit noch älter als die von Catal Höyük sind.
Unter den zahlreichen christlichen Höhlenkirchen, mit denen Kappadokien gesegnet ist und die allein schon für einen mehrtägigen Besuch reichen würden, haben wir uns anschließend im canyonartig tief eingeschnittenen Ihlara-Tal die Hyazinthen- und die Schlangenkirche für einen Besuch herausgegriffen. Ein kurzer Fußweg zu den spektakulären Tuffkegeln von Selime bildet den Abschluss des heutigen Besuchsprogramms.
Kappadokien, die unterirdische Stadt und der Vulkan
Nochmals ist die eindrucksvolle Landschaft Kappadokiens das Ziel unseres Besuches, diesmal die weitläufig zerklüftete Tufflandschaft von Uçhisar. Unweit davon besuchen wir die beeindruckende unterirdische Stadt von Derinkuyu, deren Gänge und Räume in acht Etagen bis zu 55 m Tiefe in das vulkanische Tuffgestein eingeschnitten sind. Nach Meinung einiger Wissenschaftler könnte die Stadt bis auf die Hethiter zurückgehen, doch sind von dieser möglichen Gründungsphase, bedingt durch christliche Umbauten und Erweiterungen, keine Belege mehr zu erwarten.
Der Höhepunkt des Tages erwartet uns dann am Nachmittag: auf der Ladefläche eines Traktors geht es steil aufwärts in die Caldera des erloschenen Vulkankraters des Göllüdag. Nach der abenteuerlichen Auffahrt mit teils spektakulären Panoramablicken erblicken wir an der tiefsten Stelle der Caldera einen kleinen, an seinen Ufern begrünten See.
Am breiten Rand des Kraters befindet sich eine planmäßig, mit sich rechtwinklig kreuzenden Wegen, angelegte späthethitische Höhensiedlung. Im frühen 1. Jahrtausend v. Chr., nach dem Zerfall des hethitische Großreiches, gehörte sie zum Königreich von Tabal. Beeindruckend waren vor allem die sorgfältig behauenen und ineinander gepassten Steine des Tempels oder Palastes im Zentrum der Ansiedlung. Unten am Fuß des Berges erstreckt sich ein großes, mit Obsidian übersätes Areal, in welchem das schwarze scharfkantige vulkanische Glas als begehrter Rohstoff schon in prähistorischer Zeit gewonnen und über hunderte von Kilometern weiterverhandelt wurde.
Von Kappadokien nach Konya
Mit der Kizil Kilise, der nach ihrem vulkanischen Baumaterial benannten „Roten Kirche“, die aus dem 5. und 6. Jahrhundert stammt und somit zu den ältesten frühchristlichen Bauten der gesamten Türkei zählt, nehmen wir Abschied von Kappadokien und fahren nach Osten in Richtung Konya.
Außerhalb des Programms unternehmen wir einen Abstecher zur chalkolithischen (kupfersteinzeitlichen) Fundstätte von Güvercinkayasi, deren Objekte, vor allem schöne Reliefkeramik, wir schon zwei Tage zuvor im Museum von Aksaray bewundert hatten. Der Ort gilt als ältester Festungsbau der Türkei. Wir haben Glück, dass der durch den Mamasin-Damm gebildete Stausee, in dessen Mitte der Ruinenhügel üblicherweise aus dem Wasser ragt, so weit abgelassen ist, dass wir trockenen Fußes zu den Ausgrabungen hinüberlaufen und somit auch die Relikte der Befestigungsmauer mit ihren Halbrundtürmen aus nächster Nähe betrachten können. Der aktuell verkleinerte Stausee dient Störchen und Flamingos als temporäre Bleibe; allerdings flogen die Vögel davon, als wir uns näherten.
Dass wir uns mit der Strecke nach Konya entlang einer alten Karawanenroute bewegen, belegen zahlreiche Karawansereien, von denen wir den zufällig auch geöffneten Agzikarahan mit seinem reichen Baudekor aus seldschukischer Zeit besuchten.
In Konya angekommen nimmt dann nach einem orientierenden Besuch im Basarviertel vor allem die Besichtigung des Mevlana-Komplexes mit der Grabmoschee von Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207-1273), genannt Maulana (türk. Mevlana), den Rest des Tages ein. Die Renovierungsarbeiten am Grabmal des großen islamischen Theologen und Mystikers, auf den auch der weltberühmte Orden der tanzenden Derwische zurückgeht, wurden gerade abgeschlossen, und die lange eingerüstete Überdachung mit ihren strahlend blauen Fayencefliesen erstrahlt wieder im Sonnenlicht. Für die letzten beiden Nächte quartieren wir uns in einem Hotel im lebhaften Studentenviertel von Konya ein.
Ҫatal Höyük und hethitische Monumente
Der letzte Vormittag des Besuchsprogramms steht ganz im Zeichen der Besichtigung von Catal Höyük. Der in den 1960er Jahren durch James Mellaart entdeckte und ausgegrabene prähistorische Ort galt lange Zeit als älteste Stadt der Welt und aufgrund der zahlreichen entsprechenden Statuettenfunde als „Stadt der Frauen“. Auch wenn dies heute als überholte Einschätzung gilt und der erste Ausgräber als gelegentlicher Hochstapler identifiziert wurde, hat die Stätte nichts an ihrer Faszination eingebüßt. Und dazu trägt seit kurzem auch das neue Dokumentationszentrum bei, das am Rand der Grabungsstätte neu eröffnet wurde. Bei den immer noch laufenden Ausgrabungen kommen ständig neue Objekte und damit neue Erkenntnisse ans Tageslicht.
Und zum Abschluss der Reise geht es nochmals zu zwei spektakulären hethitischen Denkmälern. Die monumentale, noch heute im Steinbruchgelände von Fasillar liegende und auf ihren Abtransport wartende Kolossalstatue eines hethitischen Berggottes ist rund 8 m hoch, 2,35 m breit und hat ein Gewicht von etwa 70 Tonnen. Den wieder aufgerichteten Abguss konnten wir schon am ersten Besuchstag im Museumshof von Ankara bewundern und jetzt stehen wir vor dem originalen Objekt. Es wurde die Vermutung geäußert, dass die monumentale Skulptur für eine Aufstellung am hethitischen Quellheiligtum von Eflatun Pinar gedacht war, das wir an- und abschließend aufsuchen.
Die aus großen Quadern über der Quelle aufgetürmte Fassade mit zahlreichen hethitischen Götterreliefs gehört zum Beeindruckendsten, was uns das rätselhafte Volk der Hethiter hinterlassen hat und es nimmt nicht wunder, dass es eine Weile dauert, bis die Reisegruppe wieder dazu bereit ist, den malerischen und mystischen Ort zu verlassen und die Rückfahrt nach Konya anzutreten.
Abschied und Heimreise
Nach den prall gefüllten Besuchstagen mit vielen Extras heißt es nun Abschied nehmen von der Türkei und den Mitreisenden. Es war eine spannende Reise, die allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben wird!
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